1.
Im Fall einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung kann der Auftragnehmer der Mängelhaftung entgehen, wenn er seine Bedenkenhinweispflicht erfüllt hat. Für das Bestehen und den Umfang der Prüf- und Hinweispflicht kommt es wesentlich darauf an, ob das Werk auf nach verbindlichen Vorgaben etwa in Gestalt eines Leistungsverzeichnisses oder einer Fachplanung hergestellt werden sollte.
2.
Beruht das vom Auftraggeber erstellte Leistungsverzeichnis auf den Planungen von Sonderfachleuten und erkennen diese eine bestehende Problematik nicht, muss der bauführende Auftragnehmer nicht klüger sein; er darf sich vielmehr auf die Aussagen der Sonderfachleute verlassen, soweit diese nicht offensichtlich unzutreffend sind.
3. Darf der Auftragnehmer der größeren Fachkenntnis des ihn Anweisenden vertrauen, ist er von der Verpflichtung zu eigener Prüfung und Mitteilung etwaiger Bedenken frei.
(OLG Köln, Beschluss vom 22.02.2016, AZ: 11 U 106/15)
Sachverhalt
Eine raumlufttechnische Anlage hält die Temperaturen, die in der Baubeschreibung gefordert waren, nicht ein. Der AG wehrt sich mit dem Hinweis auf diesen Mangel gegen die Werklohnforderung des AN.
Entscheidung
Das Gericht stellt zunächst fest, dass der AN das Werk genauso hergestellt hat, wie es vertraglich vorgegeben und in der Planung des AG vorgesehen war. Dennoch ist es mangelhaft. Es funktioniert nicht so, wie es nach dem Vertrag verlangt war. Grundsätzlich haftet der AN also für diesen funktionalen Mangel. Die Haftung tritt nicht ein, wenn er wegen der Fehler im Leistungsverzeichnis Bedenken angemeldet hat. Um Bedenken zu erkennen, muss er das LV prüfen. Hier war es von Sonderfachleuten erstellt worden. Alle Vorgaben für die Ausführung der Leistung stammten von diesen Sonderfachleuten. In diesem Fall meint das Gericht, dass der AN sich auf die Kenntnisse der Sonderfachleute verlassen darf. Er muss nur prüfen, ob die Vorgaben bzw. das LV „offensichtlich“ fehlerhaft ist. Tiefer muss er sich mit den Angaben der Sonderfachleute nicht beschäftigen.
Im vorliegenden Fall hatte ein Sachverständiger festgestellt, dass die Sonderfachleute eine bestimmte Problematik, die zu dem Mangel geführt hat, nicht erkannt haben. Diesen Planungsfehler konnte der AN nicht erkennen. Er muss keine Kenntnisse haben, die über diejenigen der speziellen Sonderfachleute hinausgehen. Daher musste er auch keine Bedenken anmelden. Er haftet für nicht für den Mangel.
Praxistipp
Die Entscheidung gibt eine nützliche Argumentation im Falle der Einschaltung von Sonderfachleuten durch den AG. Sie sollte aber nicht dazu verführen, LVs und sonstige Angaben des AG ungeprüft zu übernehmen, weil der AG ja einen Sonderfachmann an seiner Seite hatte. Zum einen gibt es auch andere Tendenzen in der Rechtsprechung, die eine so weitreichende Entlastung des AN, wie sie das OLG Düsseldorf annimmt, nicht geben. Danach muss der AN die Unterlagen und Anweisungen immer mit seinem gesamten Fachwissen auch gründlich prüfen. Die Argumentation, dass der AN keine Bedenken anmelden muss, wenn er den Fehler nicht entdecken kann, gilt übrigens auch dann, wenn kein Sonderfachmann eingeschaltet ist.
Zum anderen enthält die Entscheidung zahlreiche Voraussetzungen, die „weich“ formuliert und damit schlecht handhabbar sind. Wann darf ein Unternehmer z.B. auf die größere Fachkenntnis des ihn Anweisenden vertrauen? Ein Architekt reicht sicher nicht; muss es ein Professor sein? Nach welchen Kriterien entscheidet sich also, ob jemand eine höhere Fachkenntnis hat?
Unklar ist auch häufig, ob der AG diese speziellen Fachkenntnisse seiner Berater auch tatsächlich genutzt hat. Im vorliegenden Fall war dies sicher zu bejahen, da die Sonderfachleute für den AG das LV erstellt haben. Anders sieht es aber schon dann aus, wenn der AG den Berater nur gelegentlichen zuzieht, ihn aber nicht nach außen hin auftreten lässt. In diesen Fällen sollte der AN nicht darauf vertrauen, dass der AG die spezielle Fachkenntnisse seiner Berater auch tatsächlich in Anspruch genommen hat. Das bedeutet, dass der AN dann immer die Anweisungen und Vorgaben des AG intensiv prüfen muss und gegebenenfalls Bedenken anzumelden hat.