Der Auftragnehmer kommt in Verzug, wenn der Auftraggeber unverzüglich auf die Bedenkenanmeldung reagiert, eine Durchführung der Arbeiten wünscht und der Auftragnehmer dessen ungeachtet die Arbeiten einstellt, obwohl dem weder behördliche noch gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen.
(OLG Hamm, Urteil vom 24. Mai 2011,21 U 95/11; Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH am 20.5.2014 zurückgewiesen (VII ZR 193/12)
Sachverhalt:
Der Unternehmer sollte bei einer Schule Bodenbelagsarbeiten durchführen. Entgegen der Auskunft des Herstellers meldete der Unternehmer Bedenken an, dass der Belag nicht auf der Unterlage aus Gummi verlegt werden könne. Außerdem verwies er auf Probleme mit dem Brandschutz. Der Auftraggeber erklärte, dass nach den Versuchen, die er durchgeführt habe, der Brandschutz in vollem Umfang gewährleistet sei. Der Unternehmer meldete noch einmal Bedenken an. In einer danach anberaumten Besprechung einigte man sich, dass die Arbeiten umgehend begonnen und bis Ferienende abgeschlossen werden sollen. Einige Tage später erhielt der Auftraggeber die nächste Bedenkenanmeldung des Bodenlegers. Er wiederholte seine bisherigen Vorbehalte. Dies wies der Auftraggeber erwartungsgemäß zurück und forderte ihn zur Ausführung der Arbeiten auf unter Androhung der Kündigung. Nachdem der Auftragnehmer trotz Zusage die Arbeiten nicht begann, wurde der Vertrag gekündigt. Jetzt rechnet der Auftragnehmer den gekündigten Bauvertrag ab und verlangt die entsprechende Vergütung.
Urteil:
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Auch der BGH hat die Auffassung bestätigt, dass der Unternehmer mit den Arbeiten hätte beginnen müssen. Jedenfalls nach der Besprechung war ganz eindeutig, dass der Auftraggeber die Bedenkenanzeige geprüft und aus guten Gründen zurückgewiesen hatte. Er konnte sich auf die Auskunft des Materialherstellers sowie seine eigenen Brandversuche stützen. Das OLG Hamm hat in diesem Zusammenhang den Grundsatz betont, dass eine zurückgewiesene Bedenkenanmeldung nicht die Einstellung der Arbeiten rechtfertigt. Anders sieht es nur dann aus, wenn die Arbeiten gegen gesetzliche oder behördliche Verbote verstoßen sollten oder bei sicherheitsrelevanten Arbeiten, wenn also die angemeldeten Bedenken Gefahren für Leib und Leben betreffen. All dies war vorliegend nicht der Fall. Gefahren für Leib und Leben waren nicht gegeben, wie die Brandschutzversuche des Auftraggebers nachgewiesen haben. Damit war es dem Unternehmer unbedingt zumutbar, die Arbeiten auszuführen. Da er gegen diese Pflicht verstoßen hat, durfte der Auftraggeber aus wichtigem Grund kündigen. Bei einer Kündigung aus wichtigem Grund steht dem Auftragnehmer keine Vergütung für die nicht ausgeführten Arbeiten zu.
Hinweis für die Praxis:
Anlässlich dieses Urteils ist dem Werkunternehmer zu raten, den Grundsatz zu beachten, dass er die Arbeiten ausführen muss, wenn der Auftraggeber seine Bedenken zurückgewiesen hat. Er darf sich nur dann weigern, wenn gesetzliche oder behördliche Verbote entgegenstehen oder Gefahren für Leib und Leben zu befürchten sind.
Wenn der Unternehmer wegen unberechtigter Verweigerung der Arbeiten die Kündigung des Auftrags erhält, läuft er nicht nur Gefahr, eine Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen nicht durchsetzen zu können. Diese Gefahr könnte er dadurch bannen, dass er eine solche Vergütung gar nicht erst verlangt. Er riskiert aber auch, dass der Auftraggeber die höheren Kosten der anderweitigen Vergabe der Arbeiten vom Unternehmer verlangt. Und dieses Risiko kann er nicht kontrollieren.