Sachverhalt:
In einem Bauvertrag sind bestimmte Klauseln vereinbart, die die Bürgschaft zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts enthalten muss. Der Auftraggeber übergibt eine Bürgschaft, die dieser Vereinbarung nicht entspricht, da eine wesentliche Regelung fehlt. Der Auftragnehmer verlangt Auszahlung des Sicherheitseinbehalts. Der Auftraggeber reagiert erst 3 Monate später, indem er den Fehler unter Hinweis auf die vertragliche Vereinbarung rügt. Er verweigert deshalb die Auszahlung des Einbehalts.

Entscheidung:
Das Landgericht Berlin (Urteil vom 26.03.2015, AZ: 95 O 84/14) hat der Klage stattgegeben. Der Auftraggeber muss also den Sicherheitseinbehalt auszahlen.

Das Gericht ist der Auffassung, dass der Auftraggeber die Bürgschaft unverzüglich zurückweisen muss, wenn er mit ihr nicht einverstanden ist. Behält er sie über den Zeitpunkt der unverzüglichen Zurückweisung hinaus, hat er sie als gültig akzeptiert und muss den Sicherheitseinbehalt auszahlen. Nach der Auffassung des Landgerichts Berlin ist die Zurückweisung der Bürgschaft nach 3 Monaten nicht mehr unverzüglich.

Praxishinweise:
Das Landgericht Berlin hat keinen Hinweis darauf gegeben, welchen Zeitraum es noch für unverzüglich hält. Wenn man der Rechtsauffassung des Gerichts folgt, dürfte sich der Zeitpunkt, die Fehlerhaftigkeit einer Bürgschaft zu rügen, daran orientieren, in welcher Zeit dem Auftraggeber die Prüfung der Bürgschaft möglich ist. Er muss sie also im normalen Geschäftsgang prüfen, wobei er nach meiner Auffassung auch das Interesse des Auftragnehmers zu berücksichtigen hat, den Sicherheitseinbehalt schnellstmöglich ausgezahlt zu bekommen. Zur Beschleunigung der Zahlung wurde in der aktuellen VOB/B die maximale Dauer der Prüfung einer Schlussrechnung von 2 Monaten auf grundsätzlich 30 Tage verkürzt. Die Prüfung einer Schlussrechnung ist üblicherweise wesentlich aufwändiger als die Kontrolle einer Bürgschaftsurkunde. Dort muss nur eine Seite Text mit den Regelungen verglichen werden, die in der VOB/B und gegebenenfalls im Bauvertrag vereinbart sind. Dies kann sicherlich innerhalb von 14 Tagen passieren. Aus meiner Sicht ist daher eine Rüge der Bürgschaft nur dann unverzüglich, wenn der Auftraggeber sie innerhalb von 2-3 Wochen nach Erhalt der Bürgschaft erhebt.

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist jedoch auch zu kritisieren. Sie stützt sich zwar auf Urteile des BGH. Der BGH hat entschieden, dass ein Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt auszahlen muss, wenn er die Bürgschaft annimmt. Das gilt auch dann, wenn die Leistung des Auftragnehmers Mängel aufweist. In den BGH-Fällen war die Bürgschaft jedoch in Ordnung. Die BGH-Rechtsprechung ist also auf den Fall einer „falschen“ Bürgschaft nicht direkt anwendbar. Diesen Sachverhalt hat der BGH noch nicht entschieden. Es ist durchaus fraglich, ob er zu demselben Ergebnis wie das Landgericht Berlin kommen würde.

Im Moment kann sich der Auftragnehmer gut an das Urteil und die Argumentation des Landgerichts Berlin halten, wenn der Auftraggeber die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts verweigert, weil die vorgelegte Bürgschaft nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspricht.

Das bedeutet auf der anderen Seite, dass jedem Auftraggeber dringend zu raten ist, die Bürgschaft zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts, die ihm sein Auftragnehmer vorlegt, schnellstens zu prüfen und eventuelle Unstimmigkeiten mit den vertraglichen Vereinbarungen oder mit den Regeln in der VOB/B sofort zu rügen.