1.
Ein merkantiler Minderwert kann auch dann eintreten, wenn aus technischer Sicht die Mängel vollständig beseitigt sind. Insofern bildet dieser Minderwert die – bautechnisch unzutreffende – Einschätzung der beteiligten Verkehrskreise ab. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass eine Reparatur nicht die fachliche Qualität einer von vornherein richtigen Herstellung erreicht.
2.
Bei der vollständigen Neuherstellung eines Daches handelt es sich um einen gravierenden Sanierungseingriff. Es besteht deshalb immer die theoretische Möglichkeit, dass sich die Mängelbeseitigung nachteilig auf den Bestand auswirkt.
OLG München, Urteil vom 17. Dezember 2013, 9 U 960/13 Bau
Sachverhalt:
Bei einem Flachdach gibt es erhebliche Mängel. Der Unternehmer muss zur Beseitigung der Mängel das gesamte Dach austauschen. Trotzdem verlangt der Eigentümer des Hauses 50.000 € als Ausgleich des merkantilen Minderwerts, da die Immobilie nach seiner Meinung um diesen Betrag weniger wert sei, auch wenn das Dach fachgerecht gegen ein neues, besseres ausgetauscht werde.
Urteil:
Das OLG München verurteilt den AN zur Zahlung. Für Wohnungen mit einem reparierten Dach würden Interessenten weniger bezahlen als mit einem von Anfang an mangelfreien Dach. Wegen der Reparatur befürchteten sie entweder Folgeschäden oder eine generell unsorgfältige Arbeit, wodurch später irgendwo anders Mängel auftauchen könnten. Das gilt insbesondere bei gravierenden Eingriffen in die Bausubstanz wie z.B. dem Austausch des Daches. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Folgeschäden aus bautechnischer Sicht zu erwarten sind. Es reicht die „theoretische Möglichkeit, dass sich die Mängelbeseitigung auf den Bestand auswirkt.“
Praxistipp:
Die Rechtsprechung, die schon vor Jahrzehnten für den Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall entwickelt wurde, wird jetzt regelmäßig auch in Bausachen angewandt. Das OLG München folgt dabei den anderen Obergerichten. Der BGH hat diese Richtung „abgesegnet.“ Dadurch wird einem angeblichen und irrationalen Verhalten „des Marktes“ nachgegeben. Es wird schlichtweg behauptet, ein Interessent würde bei einem Kauf der Immobilie wegen der beseitigten Mängel irgendwelche Bedenken haben und deshalb weniger bezahlen. Diese Einbuße, der so genannte merkantile Minderwert, müsse der Unternehmer, der mangelhaft gearbeitet hat, bezahlen. Dabei komme es nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse und das tatsächliche Risiko späterer Folgeschäden an. Entscheidend sei eben das Verhalten des Erwerbers, auch wenn es noch so irrational ist.
Ich halte diese Rechtsprechung für höchst bedenklich, zumal sie der willkürlichen Reduzierung der Schlussrechnung durch den AG Tür und Tor öffnet. Der Unternehmer muss sich also – jedenfalls bei größeren Mängeln bzw. Mängelbeseitigungsarbeiten – darauf einrichten, dass der AG einen merkantilen Minderwerts ersetzt verlangt. Der AN kann dieses Risiko neben dem allgemeinen Risiko der Mängelbeseitigungskosten jedoch nicht auch noch in seine Preise einkalkulieren.
Dennoch ist im Moment nicht zu erkennen, dass die Gerichte in absehbarer Zeit die Richtung wechseln und dem merkantilen Minderwert trotz fachgerechter Mängelbeseitigung eine Absage erteilen werden. Dem Unternehmer ist deshalb nur zu raten, noch mehr als bisher auf die fachgerechte Ausführung seiner Arbeiten zu achten.