Sachverhalt:

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt vom Bauträger, der das Mehrfamilienhaus errichtet hat, die Beseitigung diverser Mängel. Es wird ein gerichtliches Beweisverfahren durchgeführt, in dem der Bauträger seine Verantwortung für die Mängel bestreitet. Nach Abschluss des Beweisverfahrens vergeht einige Zeit, bevor die Eigentümergemeinschaft den Bauträger auf Zahlung eines Vorschusses wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum verklagt. Vor Einreichung der Klage ruft der Rechtsanwalt der Eigentümergemeinschaft den Rechtsanwalt des Bauträgers an, um mit ihm über die Gewährleistungsansprüche bzw. die Mängelbeseitigung oder das weitere Vorgehen nach Abschluss des gerichtlichen Beweisverfahrens zu sprechen. Der Rechtsanwalt des Bauträgers antwortet, er müsse erst noch klären, ob er zu einem solchen Gespräch überhaupt bevollmächtigt sei. Eine Woche später teilt der Rechtsanwalt des Bauträgers seinem Kollegen auf der Gegenseite mit, es bleibe bei der Haltung des Bauträgers, der jede Verantwortung für die Mängel ablehne.

 

Entscheidung:

Das Gericht weist die Klage ab. Nach seiner Auffassung sind die Mängelansprüche der Eigentümergemeinschaft verjährt. Zwar könnte die Verjährung gemäß § 203 BGB durch Verhandlungen gehemmt werden. Dann müsste der Kontakt zwischen den Rechtsanwälten vor Einreichung der Klage als Verhandlungen anzusehen sein. Grundsätzlich darf der Begriff „Verhandlungen“ im Sinne des § 203 BGB nicht zu eng verstanden werden. Auf jeden Fall muss ein Meinungsaustausch stattfinden. Für „Verhandlungen“ im Zusammenhang mit Mängelrügen ist es daher erforderlich, dass der Bauherr den Mangel rügt und der Unternehmer daraufhin den Eindruck vermittelt, er werde sich um den Mangel kümmern, ihn zum Beispiel prüfen. Damit muss der Bauherr einverstanden sein. Hier hat der Rechtsanwalt des Bauträgers auf den Anruf des Kollegen nicht mit einem inhaltlichen Meinungsaustausch reagiert. Vor allem hat er nicht erklärt oder anderweitig den Eindruck erweckt, der Bauträger werde sich in irgendeiner Weise um die Mängel kümmern. Vielmehr hat er zunächst rein formal mitgeteilt, er müsse erst rückfragen, ob er zu solchen Gesprächen überhaupt bevollmächtigt sei. Anschließend hat er schriftlich die ausdrückliche Auffassung des Bauträgers weitergeleitet, für die Mängel nicht verantwortlich zu sein. Das ist, auch bei einer weiten Auslegung des Begriffs „Verhandlungen“, sicherlich kein Meinungsaustausch in dem Sinne, dass sich der Bauträger auf eine inhaltlich offene Auseinandersetzung über die Forderungen der Eigentümergemeinschaft eingelassen hätte. Hier hat es also keine Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB gegeben, die die Verjährung hätten hemmen können. Daher waren die Mängelansprüche vor Einreichung der Klage verjährt.
(LG Karlsruhe, Urteil vom 20.07.2018, Aktenzeichen: 6 O 320/17)

 

Praxistipp:

Der sicherste Weg, den Eintritt der Verjährung für einen Anspruch zu verhindern, ist immer noch die gerichtliche Geltendmachung zum Beispiel durch eine Klage oder durch ein gerichtliches selbstständiges Beweisverfahren. Aber auch Verhandlungen sind ein gutes Mittel, Verjährungen zu hemmen. Man kann dann auf die auch kostenträchtige Maßnahme, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten, verzichten, jedenfalls solange die Verhandlungen laufen.

Eine Schwierigkeit wird aus dem vorgestellten Urteil des LG Karlsruhe deutlich. Derjenige, der die Verjährung durch Verhandlungen unterbrechen möchte, muss unbedingt darauf achten, dass auch verhandelt wird. Solange der Gegner nicht auf irgendeine Weise zu erkennen gibt, dass er bereit ist, sich mit den behaupteten Ansprüchen auseinanderzusetzen, reicht die bloße Anmeldung von Ansprüchen nicht aus. Das gilt zum Beispiel, wenn der Unternehmer auf eine Mängelanzeige lediglich schweigt oder, wie hier, Formalien vorbringt. Derjenige, der die Unterbrechung der Verjährung durch Verhandlungen nicht eintreten lassen möchte, sollte eine Haltung vermeiden, aus der der Vertragspartner entnehmen kann, er werde die Ansprüche prüfen und sich darum kümmeren. Bei Mängelansprüchen zum Beispiel dürfte der Unternehmer auf die Mängelanzeige nicht seine Bereitschaft erklären, die Mängel zu untersuchen.

Eine weitere Schwierigkeit ist festzustellen, wann die Verhandlungen beendet sind. Das betrifft insbesondere den Fall, dass Verhandlungen „einschlafen“, sich also eine Partei nach einer gewissen Zeit einfach nicht mehr meldet und die andere Partei darauf auch nicht mehr zurückkommt. In § 203 BGB ist geregelt, dass die Verjährung drei Monate nach dem Ende der Verhandlungen eintritt. Die Berechnung dieser Karenzzeit ist bei dem Einschlafen der Verhandlungen extrem schwierig. Die Rechtsprechung sagt z.B., die Verhandlungen sind dann beendet, wenn der Verhandlungspartner sich innerhalb der Zeit, innerhalb der eine Antwort zu erwarten ist, nicht meldet. In der Praxis führt diese Auffassung auch nicht wirklich weiter, weil dann darüber gestritten wird, zu welchem Zeitpunkt denn die Antwort des Verhandlungspartners zu erwarten gewesen wäre.

Bei Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten sind Verhandlungen dennoch immer ein sinnvolles Mittel, den Eintritt der Verjährung von Ansprüchen zu hemmen.